Aufhebungsverträge – das sagt die Expertin

Aufhebungsverträge sind verbreitet. Wir sprachen mit Juristin Dr.  Marion Welp, LL.M (NY) über Basisinfos sowie über Vor- und Nachteile für Arbeitgeber und -nehmer.

Dr. Marion Welp war Chief HR & Legal Affairs Officer der globalen Esprit Gruppe und ist nunmehr Supervisory Board Member sowie mit ihrer Firma „Consecutive Consult” HR Beraterin und Coach. Die Juristin hatte in ihrer Zeit bei Esprit viel mit Aufhebungsverträgen, aber auch allgemeinen Maßnahmen zur Reduzierung der Belegschaft zu tun, und berät daher auch heute Unternehmen und Betroffene auf dem Weg zu fairen Lösungen.

Was genau versteht man unter einem Aufhebungsvertrag und in welchen Situationen ist dieser besonders sinnvoll?

Ein Aufhebungsvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ein Arbeitsverhältnis unter bestimmten Bedingungen einvernehmlich zu beenden. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist das – zumindest aus Perspektive des Arbeitgebers – sehr sinnvoll, weil wir in Deutschland einen hohen Kündigungsschutz haben. Aber auch für den Arbeitnehmer mag dies eine unkompliziertere und vor allem im Einzelfall gesichtswahrendere Lösung sein. Deshalb ist eine freiwillige Aufhebung meist die juristisch – im Vergleich zu Abmahnungen, Kündigung und evtl. Gerichtsverfahren – unkompliziertere, aber über die Abfindungszahlung dann auch oft teurere Methode.

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Zur Veranschaulichung nehmen wir zwei Einsatzgebiete: Zum einen die Aufhebung eines einzelnen, individuellen Arbeitsverhältnisses, weil z.B. die Leistung eines Mitarbeiters aus Sicht des Arbeitgebers nicht mehr zufriedenstellend ist oder der Mitarbeiter nicht mit dem Team harmoniert. Da kann ein Aufhebungsvertrag eine konfliktfreie Lösung bieten, ohne den Sachverhalt restlos und in aller Härte gerichtsfest aufklären zu müssen. Je höher der Betroffene in der Hierarchie in einem Unternehmen ist, desto öfter wird zum Aufhebungsvertrag gegriffen.

Ein anderes wichtiges Einsatzgebiet sind Massenphänomene, wo z.B. aufgrund schlechter wirtschaftlicher Lage 10 % der Belegschaft abgebaut werden müssen. In manchen Fällen ist es dann sinnvoll, nicht über einen langwierigen Sozialplan gehen zu müssen, sondern stattdessen ein sogenanntes „Freiwilligenprogramm“ aufzusetzen, welches der Belegschaft quasi Aufhebungsverträge anbietet, und zwar zu allgemein festgesetzten Konditionen.

Zum Beispiel so: Wenn Unternehmen in diesen Situationen großzügige Abfindungsangebote machen und es den Mitarbeitern überlassen, das Unternehmen mit einer Abfindung zu verlassen, können sie eine vielfältigere Gruppe von Mitarbeitern erwarten, die diese Option wählen, als wenn sie über das Punktesystem des Sozialplans kündigen. Dieser Prozess erfordert ein hohes Maß an Sensibilität und umfassende Informationsarbeit durch die Personalabteilung. Zudem ist es entscheidend, dass der Betriebsrat von Beginn an in die Planung und Umsetzung eingebunden wird.

Welche Vorteile bieten Aufhebungsverträge im Vergleich zu anderen Formen der Vertragsbeendigung wie Kündigungen?

Im Verhältnis zum Sozialplan ist der Aufhebungsvertrag aus Arbeitgebersicht eine zeitlich kürzere Maßnahme. Der Vorteil ist, dass innerhalb von wenigen Wochen und Monaten die Mitarbeiterkosten nicht mehr in der Bilanz des Unternehmens zu führen sind. Buchhalterisch ist das für das Unternehmen von Vorteil. Auch atmosphärisch sind Aufhebungsverträge eine freundlichere Maßnahme, da die betroffenen Mitarbeiter sich ja FREIWILLIG entscheiden, an dem Aufhebungsprogramm teilzunehmen. Das hilft am Ende des Tages auch den Mitarbeitenden, die im Unternehmen verbleiben, die dann in der Regel motivierter und produktiver sind. Größere Personalreduzierungen über freiwillige Aufhebungsverträge sind daher sozialverträglicher als Kündigungen.

Gibt es spezielle Anforderungen oder Fallstricke, die bei der Formulierung von Aufhebungsverträgen zu beachten sind? 

Es gibt viele Fallstricke. Deshalb mein Ratschlag: Nicht ohne Juristen! Für den Arbeitgeber ist es wichtig, all seinen gesetzlichen Verpflichtungen und vor allem Aufklärungspflichten nachzukommen, z.B. der Meldepflicht des Arbeitnehmers beim Arbeitsamt. Wichtig sind auch die Verschwiegenheitsklausel und eine genaue Regelung der Auszahlungsbedingungen. All das regelt der Jurist. Auf eine Klausel möchte ich noch eingehen: Gerade die Sprinterklausel schätze ich persönlich sehr. Sie besagt, dass, wenn es dem Arbeitnehmer gelingt, vor Ablauf der eigentlichen Kündigungsfrist bereits ein neues Arbeitsverhältnis anzutreten, er trotzdem einen festzulegenden Prozentsatz des Gehalts dieser Monate, die er schon bei einem anderen Arbeitgeber angestellt ist, on top bekommt. Unternehmen sparen sich dafür die restlichen Prozente der Gehälter. Win-win für alle Beteiligten.

Für ein Unternehmen kann es interessant sein, so spät wie möglich große Summen auszuzahlen, denn gerade in schwierigen Zeiten braucht es eventuell diese Rücklagen. Der Arbeitnehmer möchte dagegen so schnell wie möglich sein Geld erhalten, um keinem Insolvenzrisiko des Arbeitgebers zu begegnen. Schlussendlich ist alles Verhandlungssache.

Auch für noch nicht gezahlte Boni muss man im Abfindungsvertrag eine Lösung finden: Ist die Erfüllung vereinbarter Bonus-KPIs unbekannt, würden Gerichte meistens den Auszahlungs-Schnitt der letzten drei Jahre an Bonuszahlungen zu Grunde legen. Davon werden prozentual die Monate der ausstehenden Zahlung berechnet, die der Mitarbeiter im Unternehmen vor seinem Ausstieg tätig war. Diese Lösung bietet sich also auch für Aufhebungsverträge auf dem Verhandlungsweg an. Achtung: Der unter der Bonusvereinbarung erfüllte Zeitraum gilt inklusive der Kündigungsfrist und der nicht genommenen Urlaubstage. All das zählt neben der Freistellung, sofern der Arbeitnehmer dies weiß und gut verhandelt.

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Aus Arbeitnehmersicht ist es ferner sehr wichtig, dass im Aufhebungsvertrag auf das Zeugnis eingegangen wird. Es kann z.B. vereinbart werden, dass ein „ausführlich und wohlwollend formuliertes Zeugnis mit der Note sehr gut“ (oder „gut“) erstellt wird. Bei prominenteren Positionen wird auch die Kommunikation intern, eventuell sogar extern vertraglich fixiert: Wie lautet der Wortlaut in der Mail an die Kollegen, was geht gegebenenfalls an die Presse?

Wie sollten Verhandlungen über Aufhebungsverträge angegangen werden, um faire und rechtssichere Ergebnisse zu erzielen?

Ganz wichtig ist es als Vorgesetzter, mit der HR-Abteilung zusammenzuarbeiten und hier als erstes die Verhandlungsstrategie zu entwickeln – inklusive eines Zeitplans. In den meisten Fällen ist es sinnvoll, Gespräche im Vier-Augen-Prinzip zu führen: Mitarbeiter, Vorgesetzter und HR-Abteilung. Außerdem ist die eindeutige Kommunikation entscheidend. Es muss von Anfang an klar formuliert werden, dass hier „die Reise zu Ende“ ist. Für mich ist zusätzlich sehr wichtig, dass „anständig“ verhandelt wird. Das Ziel muss aus Sicht eines verantwortungsvollen Arbeitgebers sein, dass die Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses genauso korrekt zu Ende gebracht wird, wie sie mal begonnen hat. Dabei ist es reine Geschmackssache, ob ich mit einer Zahl in das Gespräch gehe und mir 10 % Verhandlungsspielraum lasse, oder von Anfang an transparent alles auf den Tisch lege. Ich selbst habe meist den letzteren Weg gewählt, denn bei einer Aufhebung sind oft viele Emotionen des Arbeitnehmers involviert, da braucht es keine „Bazar-Atmosphäre“.

Grundsätzlich ist es immer empfehlenswert, einen Juristen hinzuzuziehen.

Welche Fehler sollten vermieden werden, um potenzielle spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden?

Aus Unternehmersicht ist es sinnvoll, sich von Anfang an zu überlegen, welche Chancen vor Gericht bestünden. Wenn diese zu schlecht ausfallen, sollte das Unternehmen bereit sein, das Portemonnaie weiter zu öffnen. Ich muss die Chancen des Arbeitnehmers schlichtweg gut einschätzen können und individuelles Fingerspitzengefühl beweisen. Da die Unternehmensführung / der Vorgesetzte vor dem Team ein gewisses Standing behalten muss, ist es auch grundsätzlich gut, eine gerichtliche Eskalation zu vermeiden. Ist diese aber unvermeidbar, sollte man den Weg vor Gericht auch nicht scheuen, denn sonst spricht sich das schnell im Team herum. Hier ist die kluge Kalkulation eines Juristen von Anfang an vonnöten.

Welche sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen können sich aus einem Aufhebungsvertrag ergeben?

Wer freiwillig zustimmt, den Arbeitsvertrag zu lösen, ist gesetzlich für einen gewissen Zeitraum durch die Sozialkassen gesperrt. Es gibt hier Hintertürchen-Vertragsklauseln, die man probieren kann. Eine Möglichkeit wäre es in solchen Fällen, die Sozialversicherungs-Beiträge on top in den Aufhebungsvertrag zu verhandeln.

Wie können negative Auswirkungen auf die sozialversicherungsrechtliche Situation des Mitarbeiters vermieden werden?

Die Auswirkungen können nur durch eine Kündigung seitens des Arbeitgebers vermieden werden.

Welche steuerlichen Aspekte sind bei Aufhebungsverträgen zu berücksichtigen, insbesondere in Bezug auf Abfindungen?

Die Abfindungssumme ist natürlich wie Einkommen zu versteuern, was eine hohe Summe ausmachen kann. Daher überlegen viele Arbeitnehmer, ob eventuell. über einen Beratervertrag die Gesamtsumme und deren Steuerlast gestreckt werden kann. Das ist natürlich auch eine mentale Entscheidung: „Schlussstrich ziehen und auf zu neuen Ufern“ oder doch noch Berater bleiben.

Wie sollten Unternehmen mit langjährigen oder leitenden Angestellten verfahren, wenn ein Aufhebungsvertrag erwogen wird?

So gut und fair wie möglich. Umso respektvoller die menschliche Erfahrung, umso weniger streitbar wird die Verhandlung und damit auch billiger für das Unternehmen. Wenn die Mitarbeiter mit Ehre und Würde gehen – es z.B. bei langgedienten Mitarbeitern noch eine Abschiedsfeier gibt, hat das auch großen Einfluss auf die bleibenden Mitarbeiter. Denn am Ende des Tages wissen sie: so, wie der Arbeitgeber heute mit meinem Tischnachbarn verfährt, so verfährt er dann auch in Zukunft mit mir.

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Was bei größeren Exit-Programmen, die viele Kollegen betreffen, noch getan werden kann: Die CVs der Ausgeschiedenen könnten an die „Haus und Hof“-Headhunter gegeben werden. Das ist wirklich das Beste, was sie im Employer-Branding machen können, denn die jüngeren Mitarbeiter nehmen diese Erfahrung mit. Auch individuelle soziale Goodies eignen sich, wie Alumni-Stammtische zum gegenseitigen Austausch und Unterstützung oder Outplacement-Seminare, um die ehemaligen Mitarbeiter wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Die Betroffenen sollten auch lernen, wie sie ihren Weggang und die Suche nach einer neuen Position positiv, z.B. auf LinkedIn, Freunden, Nachbarn etc., kommunizieren können. Schließlich ist es ein großer Einschnitt, der erst einmal verarbeitet werden muss. Man muss wieder in Form kommen, um für den Arbeitsmarkt offen und erreichbar zu sein.

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