Wege aus der Altersdiskriminierung

So gestaltest du die Jahre vor und nach dem Rentenbescheid aktiv mit.

Wann ist man zu alt für die Berufstätigkeit? Stellt sich die Frage überhaupt? Als Jobvermittler erleben wir es leider immer wieder, dass die Kandidaten wegen ihres Alters abgelehnt werden. Bewerber, die ideal auf eine Jobposition passen, werden aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht eingestellt. Beim Nachfragen hören wir durch die Blume: Das Alter.

Im allgemeinen Diskurs wird viel über Diskriminierung im Zusammenhang mit Geschlecht oder Hautfarbe gesprochen, aber auch das Alter spielt eine entscheidende Rolle bei der Jobsuche. Und das schon ab 45 Jahren, ab dann gilt man laut Bundesanstalt für Arbeit als „älterer Mitarbeiter“.

Renteneintritt: Ein Erfahrungsbericht

Klaus Gengenbach ist mit 63 aktiv in den Ruhestand getreten, wobei er bevorzugt Unruhestand sagt. Er ist jetzt 71 Jahre alt und immer noch ein aktives Mitglied der Gesellschaft. Während seiner Berufsjahre hatte er Führungsrollen in der Tourismusbranche im Vertrieb und Marketing über. Klaus schätzt sich glücklich, selbst keine Altersdiskriminierung erlebt zu haben, jedoch sind aus seinem Umkreis Freunde und Bekannte betroffen.

Klaus Gengenbach im Gespräch mit Sven Galander

Für ihn waren diese Erfahrungen einer der Gründe für den Entschluss zum Ruhestand, erzählt er.

„Ich wollte hoch erhobenen Hauptes zur Türe hinausgehen und aktiv aus dem Berufsleben ausscheiden. Und auch selbstbestimmt entscheiden, WANN ich aufhöre. Ich habe mir das schon sehr frühzeitig überlegt. Obwohl ich hochmotiviert in meinem Job verwurzelt war, kam irgendwann der Aspekt dazu, dass ich mich fragte, was ich noch tun könnte – und was passieren würde, wenn ich nicht mehr mithalten könnte. Ich wollte es selbst steuern.“ Klaus Gengenbach

Lösungen: Altersteilzeit und erhöhte Zuverdienstgrenzen

Viele Firmen bieten den älteren Mitarbeitern Altersteilzeitmodelle an. Diese wurden auch lange vom Staat gefördert und sind, so sieht es Klaus, eine gesichtswahrende Lösung für beide Seiten. Jedoch ist das Modell zunehmend gesellschaftlich schwerer zu verantworten. Der Fachkräftemangel erlaubt es immer weniger, Menschen in Altersteilzeit gehen zu lassen. Fachliteratur, Rentenpolitik und Arbeitsmarkt fordern, möglichst lange aktiv und engagiert im Berufsleben zu bleiben. Jedoch sehen das Arbeitgeber und -nehmer anders, erzählt Klaus.

Vor kurzem wurde die Zuverdienstgrenze angehoben. Diese dadurch motivierten zusätzlichen Arbeitskräfte sind ein wichtiger Schritt für den Arbeitsmarkt. Laut Studien wollen 2/3 der Menschen nach dem Rentenbescheid weiter arbeiten. Der Verdienst muss jedoch passen und darf nicht so hoch versteuert werden. Mit den flexiblen Modellen wäre es also für viele denkbar, länger im Berufsleben zu stehen.

Die Rente planen

Viele Menschen machen sich Pläne für die Rente, so auch Klaus. Er hatte sich Verschiedenes für die Zeit nach dem aktiven Berufsleben zurechtgelegt.

„Man macht ja einen Plan für seine Karriere – so habe ich mir auch einen Plan für meine ‚späte Karriere‘ gemacht.“ Klaus Gengenbach

Für die Planung stellte er sich folgende Fragen:

  • Was kann ich machen, um mein Knowhow einzubringen?
  • Welche Ehrenämter kann ich ausüben, um neue Erfahrungen zu sammeln – und damit die Übergangszeit zu überbrücken?

Über Empfehlungen kam er zum SES-Senior Experten Service und hat seither 13 Projekte in sechs Ländern absolviert. Er berät dabei kleine und mittelständische Unternehmen der Touristik und Hospitality Branche in Entwicklungsländern bei den Themen Marketing und Vertrieb.

„Man gibt sehr viel an Knowhow und Erfahrung bei diesen Projekten – und bekommt ganz viel Wertschätzung zurück. Es entstehen sogar richtige Freundschaften. Auch meine Frau übt ein Ehrenamt aus. Sie unterstützt alleinerziehende Mütter mit kleinen Kindern.“ Klaus Gengenbach

Ab wann ist man alt?

In den Medien wird das Thema Altersdiskriminierung und die Möglichkeiten vor und in der Rente immer öfter thematisiert. Denn zusehends wird immer klarer: Es muss sich etwas tun. Ab 61 Jahren gilt man in Deutschland als alt. Wenn jedoch Menschen dieser Altersgruppe selbst gefragt werden, wird 69 Jahre, also 8 Jahre später, als die Schwelle zum Altsein genannt. In den Niederlanden gelten Menschen erst ab 71 als alt. Es stellt sich die Frage: Was mache ich in meinen jungen Jahren mit meiner Zeit?

„Wir haben immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft. Das Thema Babyboomer verschärft den Fachkräftemangel noch einmal. Wir müssen hier auch an der Sprache arbeiten: ‚In ihrem Alter‘, ‚das alte Eisen‘, ‚Warum arbeitest du denn noch?‘ ‚Geh doch in den Ruhestand!‘ Es muss ein Wandel in der Wahrnehmung passieren. Sprache macht hier unheimlich viel aus. Das Lebensalter könnte auch in das Antidiskriminierungsgesetz im Grundgesetz eingehen. Dann könnten Verstöße besser belangt werden.“ Klaus Gengenbach.

Offen über Altersdiskriminierung sprechen

Die jüngere Generation ergreift, z.B. auf LinkedIn, das Wort und spricht über Erfahrungen mit Diskriminierung. Die Babyboomer erheben ihre Stimme kaum. Es kommt jedoch immer mehr Bewegung in das Thema, stellt Klaus fest. Als Babyboomer sei man es gewöhnt, sich zu bemühen, erzählt er. Es gab damals sehr viele Bewerber auf eine Stelle, sehr viele Studenten, er musste sich im Wettbewerb behaupten. Jetzt könne man sich, dem Fachkräftemangel sei „Dank“, ganz anders bewerben.

Über den Diskurs zur Altersdiskriminierung, Erfahrungsberichte und neue Plattformen, kann das Thema weiter ausgebaut werden und dadurch neue Formen der Rente überlegt und ausprobiert werden.

Tipps für die Jobsuche 55+

  • Überlege dir, ob du dich in dieser Phase nicht ganz neu aufstellen und dich „neu erfinden“ möchtest.
  • Lebenslanges Lernen verbessert deine Chancen.
  • Wenn dir dein Arbeitgeber diverse Chancen nicht mehr bietet, ist es sinnvoll, dein Fortkommen selbst in die Hand zu nehmen. Z.B. durch das Sammeln neuer Erfahrungen in einem Ehrenamt oder einem neuen Hobby.
  • Thema Hobby: Mach dein Hobby zum Beruf. Viele Menschen sind fast mehr Experte in ihren Hobbythemen als in ihren Berufsthemen. Nutze das.
  • Verwehre dich nicht dem digitalen Wandel. Hier muss mehr differenziert werden, denn auch für das digitale Zeitalter sind ältere Menschen natürlich noch zu gebrauchen – vielleicht in einer anderen Form.
  • Fragebögen im Internet, die dich unterstützen, deine Interessen und deine Persönlichkeit genauer kennenzulernen, können dir helfen, neue Wege zu finden.
  • Nutze die Möglichkeit von Verbänden, z.B. Granny Au-pairs. Als Ausleih-Oma kann man für einige Monate ins Ausland gehen. Mittlerweile gibt es auch Work and Travel-Angebote nicht nur für junge Menschen.
  • Schaue explizit auf Stellenbörsen für ältere Menschen: z.B.: Perspektive50+.de oder Gelegenheitsjobs.de. Auch die Bundesagentur für Arbeit bietet Beratung an.
  • Pflege dein Netzwerk und baue es weiter aus.
  • Passt eine Selbstständigkeit, allein oder mit anderen Gründern, zu dir?

Generationenübergang gestalten

Das respektvolle Miteinander war Klaus schon als junger Teamleiter im Umgang mit älteren Mitgliedern wichtig. Aus Studien weiß man, dass Wertschätzung und Ernstgenommen werden für ältere Kollegen sehr wichtige Aspekte sind. Auch die Möglichkeit, sich bei neuen Aufgaben einzubringen, nimmt einen hohen Stellenwert ein.

Mit der Begründung, dass ältere Mitarbeiter zu teuer seien, kommt es immer wieder zu Kündigungen. Zählt das Knowhow plötzlich nicht mehr? Um das zu verhindern, muss der Generationenübergang aktiv von Unternehmen gestaltet werden. Diese neuen Modelle sind mit Aufwand verbunden, der sich jedoch auf lange Sicht auszahlt, erklärt Klaus. Das Lernen voneinander, jung wie alt, muss als Prozess gestaltet werden und langfristig als Strategie im Unternehmen festgeschrieben sein.

Foto von Scott Graham auf Unsplash

„Junge und ältere Menschen können viel voneinander profitieren. Jedoch müssen beide Parteien dafür sensibilisiert werden, das startet schon bei den, oft jungen, Recruitern. Bei einem meiner Auslandsaufenthalte bildete ich ein Team mit einer jungen Frau. Wir haben viel voneinander gelernt – ich von ihrer Recherchefähigkeit und ihrem digitalen Wissen, sie von meiner Fachwissen und der Gelassenheit. Es war eine tolle Erfahrung.“ Klaus Gengenbach

Über Klaus Gengenbach

Klaus nennt sich selbst Experte für den Unruhestand. Nach einem ganzen Berufsleben im Tourismus ist er seither in einigen Projekten ehrenamtlich aktiv. Mehr als 20 Jahre war er als Direktor verantwortlich für das Marketing und den Vertrieb der Marke Robinson Club GmbH , die zu Europas größtem Reiseveranstalter, der TUI in Hannover, gehört. Zuvor hat er 11 Jahre in verschiedenen Positionen beim Veranstalter DER Touristik in Frankfurt gearbeitet. Dazu gehörte die Einführung der Marke DERTOUR, die Entwicklung der Destination Vereinigte Arabische Emirate in Kooperation mit der Airline Emirates sowie die Verantwortung für europäische Individualziele, zu denen damals auch das Reiseland DDR gehörte.

Seit 2017 engagiert sichKlaus ehrenamtlich beimSES-Senior Experten Service und hat bisher 13 Projekte in 6 fernen Ländern absolviert. Dabei berät er kleine und mittlere Unternehmen der Touristik und Hospitality Branche in Entwicklungsländern bei den Themen Marketing und Vertrieb. Zusätzlich hilft er in Berlin jungen Auszubildenden im Rahmen der Initiative VerA (Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen), ihre Abschlussprüfung zu bestehen. Von 2014 bis heute ist er Mitglied imTravel Industry Club e.V., zunächst als Schatzmeister und jetzt als Kassenprüfer. Seit kurzem sitzt er auch im Aufsichtsrat eines Camping-Unternehmens.

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