Chancen und Herausforderungen im B2B-Vertrieb: Warum Sales wieder mehr Anerkennung braucht

Dirk Schuran, Geschäftsführer der Rainmaker Society, und Unternehmer und Investor Björn W. Schäfer über die Entwicklung des B2B-Vertriebs – von verpassten Chancen über systematische Fehler bis hin zu konkreten Ansätzen für die Zukunft.

Sales unter Druck: Wenn Tools die Menschen ersetzen sollen

Der B2B-Vertrieb hat sich in den letzten Jahren massiv verändert – aber nicht immer zum Besseren. Dirk Schuran bringt über 25 Jahre Sales-Erfahrung mit, vom Callcenter in der Schulzeit bis zur Verantwortung für den Markteinstieg bei COMATCH. Seine Einschätzung: Die Vertriebsszene leidet unter einem gefährlichen Missverständnis.

„Ich sehe immer mehr Tools und CRM-Systeme, die die Rolle des Verkäufers ersetzen sollen. Aber Umsatz entsteht nicht durch Dateneingabe – sondern durch Menschen, die überzeugen können.“ Dirk Schuran

Der Trend zur Spezialisierung in SaaS-Startups hat viele Gründer und Investoren glauben lassen, Sales sei skalierbar wie Code. Doch der Markt ist gesättigt: zu viele Tools, zu wenig echtes Handwerk. Während Mails nicht mehr gelesen und LinkedIn-Nachrichten ignoriert werden, fragen sich viele Teams: Wie kommen wir jetzt eigentlich an Termine? Und wie konvertieren wir?

Das CRM-Paradox: Struktur ist gut – aber verkauft wird anders

CRM-Systeme wie Hubspot sind aus modernen Sales-Strukturen nicht mehr wegzudenken. Doch wer nur auf Prozesse setzt, riskiert die Basis zu verlieren: echte Kommunikation. Dirk bringt es auf den Punkt:

„Wenn sich Kinder heute verabreden, schreiben sie eine SMS. Früher haben sie angerufen. Und was sehen wir im Vertrieb: Viele können eine Mail schreiben, aber beim Telefonieren bekommen sie weiche Knie.“ Dirk Schuran

Die Überbetonung von Tool-Kompetenz geht häufig zu Lasten der eigentlichen Verkaufskompetenz. Der Unternehmer beobachtet sogar ein paradoxes Muster:

„Je besser jemand in der CRM-Nutzung ist, desto schlechter ist er oft als Verkäufer. Das habe ich sehr oft gesehen.“ Dirk Schuran

Was ist eigentlich ein guter Verkäufer?

Björn W. Schäfer hat es selbst erlebt: Bei einer seiner Beteiligungen unterstützte er operativ im Vertrieb – und bekam Einblicke in Motivationen, die ihn schockierten:

„Ich habe jemanden gefragt, was ihn an seinem Job interessiert. Und er sagte: Die Firma interessiert mich gar nicht. Ich will Geld verdienen. Da standen mir die Haare zu Berge.“ Björn W. Schäfer

Natürlich, sagt Schuran, sei Geldverdienen ein legitimer Antrieb. Doch der B2B-Vertrieb braucht mehr als nur den Wunsch nach schnellen Abschlüssen:

„Du brauchst Menschen, die sich reingraben – echte Explorer. Gerade bei großen Tickets funktioniert es nicht, wenn jemand einfach nur closen will, ohne zu verstehen, was danach passiert.“ Dirk Schuran

Das Problem liegt auch in der Erwartungshaltung. Viele Gründer wollen am liebsten ein homogenes Team mit High-Performern – oft geprägt von einem ähnlichen Werdegang. Doch was fehlt, ist Meinungsdiversität und echtes Erfahrungswissen im Sales.

Sales als Handwerk – und warum Erfahrung wieder zählt

Björn und Dirk beobachten laufend die Abwertung von Erfahrung zugunsten von jugendlichem Innovationsgeist. Viele junge Talente verkaufen drei Mal erfolgreich – und halten sich für Sales-Profis. Doch ohne systematische Ausbildung und Mentoring fehlt das Fundament.

„Wir degradieren Erfahrungswissen. Dabei gehört es zum Handwerk, Fragen zu stellen, übergreifend zu denken, sauber zu qualifizieren. Diese Skills lernt man nicht durch Trial & Error, sondern durch Führung und Training.“ Dirk Schuran

Auch das Fehlen echter Sales-Ausbildungsstrukturen in Deutschland wird von den beiden Experten kritisiert. Während in anderen Bereichen Nachwuchsförderung institutionalisiert ist, fehlt sie im B2B-Sales.

Foto von Smartworks Coworking auf Unsplash

Rockstar vs. Struktur: Der richtige Mix macht’s

Ein weiterer kritischer Punkt: die Personalstrategie in jungen Unternehmen. Schäfer warnt davor, sich von Sales-Rockstars abhängig zu machen:

„Ich hätte mein Startup fast gegen die Wand gefahren, weil ich einem Rockstar vertraut habe, ohne Strukturen für Mitarbeiter 1, 2 und 3 aufzubauen. Nie wieder will ich in solche Abhängigkeiten geraten.“ Björn W. Schäfer

Beide Experten plädieren für einen ausgewogenen Mix aus Performern und strukturierten Prozessen. Idealerweise finden sich Personen, die sowohl verkaufen als auch andere ausbilden können – eine seltene, aber umso wertvollere Kombination.

Renaissance des echten Vertriebs: Handwerk schlägt Hype

Trotz aller Herausforderungen sind sich Schuran und Schäfer einig: Der B2B-Vertrieb hat Zukunft – wenn er wieder als das verstanden wird, was er ist: ein Handwerk. Ein Bereich, in dem solides Wissen, Kundenverständnis und Kommunikationsstärke zählen.

„Ich glaube, dass die Funktion des echten Sales eine Renaissance erleben wird. Termine machen, Bedürfnisse erkennen, erklären, wie ein Produkt ein Problem löst – das bleibt unverzichtbar.“ Dirk Schuran

Für Schäfer liegt die Stärke guter Verkäufer im Dialog:

„Wer fragt, führt. Aber es geht nicht nur um Fragetechniken – es geht um echtes Interesse, um Hypothesenbildung, um Discovery als Rollenspiel. Das können viele noch nicht.“ Björn W. Schäfer

Weniger Tool-Gläubigkeit, mehr Fokus auf Talent, Ausbildung und Motivation

Der B2B-Sales muss sich neu sortieren. Tools sind wichtig – aber kein Ersatz für echtes Verkaufstalent. Startups müssen lernen, differenzierter zu rekrutieren und langfristig zu denken. Das bedeutet: Sales-Ausbildung fördern, Erfahrungswissen anerkennen und Motivation ernst nehmen – egal, ob sie in persönlicher Weiterentwicklung oder finanziellen Zielen liegt. Die Branche braucht Menschen, die verkaufen können und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Nur dann wird der Vertrieb wieder das Rückgrat des Unternehmens – und nicht nur der Erfüllungsgehilfe der CRM-Logik. Über Björn W. Schäfer Björn W. Schäfer hat ein eigenes Programm entwickelt, das leistungsstarke B2B-Revenue-Teams formt. Dabei setzt er auf eine bewährte Kombination aus Strategie, Taktik und der Förderung von Menschen. Mit seiner erprobten Methodik hat er bereits über 25 B2B SaaS Startups und Scaleups erfolgreich begleitet. Zuvor war er Vice President of International Sales beim Urban Sports Club und ist als Führungskräfte-Trainer und Coach tätig. Dirk Schuran Über Dirk Schuran, Gründer & CEO der Rainmaker Society. Dirk bringt über zwei Jahrzehnte Erfahrung im Sales mit – vom Callcenter über die Corporate-Verlagsbranche bis hin zum VC-finanzierten SaaS-Startup. Als Business Angel, Senior Advisor und B2B-Sales-Veteran kennt er die gesamte Bandbreite des Vertriebs. Seine Mission: Sales wieder als strategische Kernkompetenz positionieren.

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