Personal Mobility – Arbeiten im Ausland als Expat

Für die Karriere ins Ausland? Ist das “Muss” oder “Kann” auf der Karriereleiter nach oben? Welche Vorteile bringt die Erfahrung für Expats? Und womit müssen Unternehmen rechnen?

Arbeiten im Ausland: Wieso sind Expats gefragt

Die Welt ist und bleibt global. Firmen wollen international expandieren, wollen größer werden. Auch streben sie neue Märkte an, weil die alten bereits gesättigt sind. Das betrifft nicht nur die Mobilität von Dienstleistungen und Waren, sondern auch von Personen. Prof. Dr. Stefan Remhof, Professor für internationales Management, ist sich sicher, dass es nach Corona noch ein wenig Zeit bedürfe, wir aber in den teilglobalisierten Zustand zurückkehren werden. Damit werde auch das Thema „Expat Management“ wieder an Wichtigkeit gewinnen.

„Der Fachkräftemangel steht IN der Tür.“

Prof. Dr. Stefan Remhof

Kulturelle Veränderungen drängen ins Ausland

Vor einer oder zwei Generationen war der Radius der Deutschen nicht besonders groß. Das eigene Dorf, vielleicht der umliegende Landkreis oder mal in die nächste größere Stadt – weiter ging es selten.

Heute braucht es schon fast das Auslandssemester während der Studienzeit, um Erasmus-Plätze muss man sich bewerben. Urlaube und längere Trips im Ausland sind für die meisten Kinder selbstverständlich. Diese kulturellen Erfahrungen verändern und prägen unsere Gesellschaft nachhaltig und machen die Welt laufend globaler. Diejenigen, die es schon hatten, wollen es wieder. Die Anderen wollen es vielleicht gerade deshalb.

Top Ten Länder für Expats

Städte, die für Expats als Dauerbrenner gelten, seien laut Stefan Remhof schwierig auszumachen.

„Russland ist mehr oder minder raus, China hat sich zwischen Gefahr und Chance eingependelt, die USA wird immer weniger zum Sehnsuchtsort. Portugal, Spanien und andere europäische Länder bieten Chancen und Infrastruktur wie daheim und viele Möglichkeiten Dank der EU. Nicht zu vergessen und sehr praktisch: Ich bin weiterhin in der gleichen Zeitzone wie Familie und Freunde.“

Prof. Dr. Stefan Remhof

Ist Expattum ein Mitarbeiter-Benefit?

Setzen Top-Performer bereits voraus, dass Arbeitgeber den Mitarbeitern als Expat versenden können? Eines steht fest: Remote Work und Workation werden in vielen Unternehmen vermehrt angeboten. Deshalb verschwimmen die Grenzen hin zu Auslandsentsendungen. Die Bedürfnisse der Menschen verändern sich. Die Chancen, sich beruflich zu entwickeln, sind in Deutschland dank der verschiedenen Möglichkeiten sehr groß.

Zu bedenkende Risiken als Expat

Jedoch: Der Auslandsaufenthalt hat nicht nur Vorteile. Wenn ich Familie und Kinder mitnehmen muss, ist die Herausforderung groß. Wo arbeitet mein Partner, meine Partnerin? Welche Möglichkeiten bieten sich für meine Kinder? Außerdem gelte es, die vielen globalen Unsicherheiten unserer Zeit nicht außer Acht zu lassen. Und auch die Corona-Narben müssten erst einmal verheilen, erklärt der Experte.

„Viele Top Performer nehmen das Risiko eines Auslandsaufenthaltes nicht mehr von Haus aus auf sich. Außerdem ersetzen Remote Work und digitale Lösungen die Notwendigkeit, regelmäßig im Ausland zu sein.“ Prof. Dr. Stefan Remhof

Fazit

Expattum ist nicht mehr der Benefit schlechthin. Allerdings: Die Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten, gehört fast dazu wie der obligatorische Kickertisch. Nur die Art und Weise ist offen.

Photo by Kevin Woblick on unsplash

Wer will im Ausland arbeiten?

Früher waren es um die 100 Bewerber, die um die Stelle im Ausland ins Rennen gingen. Der Typus „Expat“ war laut Stefan Remhof recht gleich: Grundsätzlich neugierig auf die Welt und familiär passte es gerade. Entweder als Single unterwegs oder mit den Rundum-Sorglos-Paketen für die Familie, die sich um Wohnung und Umzug, Schulen und Fahrer kümmerten.

Die Zeiten von Rundum-Sorglos-Paketen sind laut Stefan Remhof jedoch größtenteils vorbei. Die betriebswirtschaftliche Seite sei anders geworden. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass die Unternehmen nicht immer das Return and Investment haben, dass sie sich erwartet hatten. Viele Expats brechen ab oder wechseln anschließend den Arbeitgeber. Das muss einkalkuliert werden.

„Die Zeiten, dass die Expats in Watte gesetzt wurden, gehört der Vergangenheit an.“

Prof. Dr. Stefan Remhof

Self-initiated Expat

Das ist eventuell aber auch gar nicht mehr notwendig. Der Trend geht zum Self-initiated Expat, der aus eigenem Antrieb heraus nach Norwegen oder Australien geht. Das Wesen an sich verändert sich also, die schlichte Mobilität bleibt. Bleibt die Frage: Wer schickt wen?

„Der Klassiker: Ich werde von meinem Unternehmen geschickt, ist vorbei – viele gehen jetzt aus eigenem Antrieb. Die meisten wollen das Expattum auf eigene Faust erleben.“

Prof. Dr. Stefan Remhof

Expat: Sprung oder Break?

Die Auslandsentsendung stellt einen starken Eingriff in das Leben des Expats dar. So sehen es die einen als Sprung nach vorne, als große Möglichkeit, weiter auf der Karriereleiter zu kommen. Für Andere ist es der klassische Break. Sie wollen alles neu und setzen dafür dementsprechend viel aufs Spiel, sie gehen „all in“.

Wie nähert man sich dem Thema Expattum als Unternehmen?

Für Unternehmen bedeutet Expattum heutzutage etwas ganz anderes als noch vor 10 Jahren. Die richtige Person muss erst gefunden werden. Die Person, die ins Ausland geht, dort für mehrere Jahre arbeitet, dem Unternehmen vor Ort Benefits bringt und diese auch zu Hause umsetzt, muss gesucht und gefunden werden. Hier spielen also keine großen Benefits mehr eine Rolle.

„Das Thema habe ich in meiner Doktorarbeit untersucht. In vielen Gesprächen hat sich herausgestellt, dass die Abenteuerlustigen und die Risikobereiten diejenigen sind, die gerne ins Ausland gehen. Das sind übrigens auch typische ‚Start-Upler‘. Eine gewisse Resistenz muss der Kandidat, die Kandidatin mitbringen. ‚Künstliche‘ Kandidaten zu zwingen oder fast zu nerven, setzt die falschen Hebel.“

Prof. Dr. Stefan Remhof

Der „ideale Expat“

Wie kann ich denn als Unternehmen einschätzen, ob dieser Mitarbeiter/diese Mitarbeiterin geeignet ist, als Expat im Ausland zu arbeiten? Eine wichtige Frage, denn der Arbeitgeber muss bei Abbruch die Kosten tragen. Eine gewisse Unsicherheit gibt es bei diesem Thema immer. Eine Garantie, dass alles glatt geht, hat man nie, wenn es um Menschen geht. Aber es gibt einige Indikatoren, die beachtet werden sollten:

  • Hat der Mitarbeiter bereits Auslandserfahrungen als Kind/als Student erlebt. Das sind prägende Faktoren und bringen wertvolle Erfahrungen auf dem Gebiet mit.
  • Gibt es familiären Hintergrund im Ausland? Eltern oder Großeltern, die eingewandert sind? Ein bikulturelles Umfeld prägt den Menschen langfristig.
  • Ist bereits ein (großer) Fremdsprachenschatz vorhanden? Wie sind die Englisch-Kenntnisse? Wie hoch ist die Bereitschaft, eine neue Sprache zu lernen?
  • Wie steht es um Hobbies? Lässt sich daraus ein „abenteuerlicher Charakter“ ablesen?

„Das Mindset der Expats spiegelt sich direkt im Erfolg der Unternehmung. Die Abenteuerlust muss in den potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten vorhanden sein. Weniger mutige Personen passen von der Persönlichkeit schlicht weniger.“

Prof. Dr. Stefan Remhof

Auslandsaufenthalte können auch schief gehen. Es prallen schließlich kulturelle Welten aufeinander. Wir dürfen nicht vergessen: Missverständnisse entstehen schon in den DACH-Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das gilt noch mehr für den US-amerikanischen Raum, wo alles GREAT ist – auch wenn die Präsentation es nicht war und der Deutsche eine ehrliche Meinung schätzen würde. Oder pünktlich ist – und dafür komisch angeschaut wird.

„Als versierter Mitarbeiter, als versierte Mitarbeiterin z.B. nach Mexiko geschickt zu werden, kann auch schief gehen. Die andere Kultur, Sprachbarrieren, Ausgrenzungen, Fettnäpfchen … Diese Situationen verwirren und verunsichern. Dieses „Ich war im Ausland und komme stark zurück“ – ich glaube, so einfach ist es nicht. Die Situation im Ausland ist vielseitig zu betrachten: Kommt meine Familie mit oder gehe ich allein? Wie ist mein Mindset: positiv oder negativ? Beim Auslandsaufenthalt muss ich in die neue Kultur ganz und gar eintreten – und erstmal herausfinden, wie ich zu meinem Essen komme.“ Prof. Dr. Stefan Remhof

Reintegration von Expats

Spezielle People Mobility Alliance-Angebote richten sich an Unternehmen, um beim Projekt Expats zu unterstützen:

  • Wie fängt man an, so ein Expat-Programm aufzubauen?
  • Wer ist geeignet?
  • Welche Gegebenheiten muss ich im Ausland schaffen?
  • Wie geht die erfolgreiche Rückführung eines Expats vonstatten?

Oft vergessen wird der letzte Stichpunkt, die Reintegration von Expats. Diese gestaltet sich manchmal schwierig. Das Unternehmen entsendet den Mitarbeiter – die Welt dreht sich weiter und „plötzlich“ kommt der Mitarbeiter zurück. Ist seine Position noch vakant? Können wir ihn oder sie direkt befördern?

Blackbox Expattum

Zahlreiche Studien von Beratungsfirmen zeigen, dass die Unternehmen noch eine Blackbox in diesem Bereich haben und nicht wissen, wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen sollen. Die meisten hätten laut Experten gar nicht die Ressourcen interner Natur, ein sauberes Expat-Management aufzubauen. Denn es werden keine Maschinen rausgeschickt, sondern es sind Menschen, die zurückkehren.

„Auch die Familie muss entsprechend rückgeführt werden. Es müssen z.B. Zeugnisse übersetzt werden und Betreuungsplätze mitten im Jahr organisiert werden. Der ehemalige Expat stößt hier schnell an bürokratische Grenzen. Das hat dementsprechend Auswirkungen auf die Performance. Oder es stellt sich die Frage, wo die verantwortungsvolle Position nun hier ist, die ich im Ausland bereits innehatte.“

Prof. Dr. Stefan Remhof

No Gos auf Unternehmensseite für die Expat-Entsendung

  • Fehlendes Expat-Management, das nicht auf den Mitarbeiter abgestimmt ist. „Hier hast du dein Ticket, deine Wohnung, deinen Mandarin-Kurs. Wir hören uns wieder in viereinhalb Jahren“ – das ist der falsche Weg.
  • Falsche Motivation: Du bekommst mehr Geld. Du musst es für deine Karriere tun. Klar, manchmal gibt es fachliche Notwendigkeit, dass ich Mitarbeiter schicken muss – aber wenn ich ihn zwinge, wird es scheitern.

„Man stolpert so in die Auslandserfahrung rein – auf beiden Seiten und wird schon gut gehen. Nein, das wird es nicht.“

Prof. Dr. Stefan Remhof

Über Prof. Dr. Stefan Remhof

Seit 15 Jahren beschäftigt er sich mit den Themen Mitarbeiterentsendung, internationale Karrieren und Expat-Management. Er ist Professor für internationales Management an der IU am Standort München.

Kategorisiert in: ,