Rückschläge – und was Führungskräfte daraus lernen können
Warum sind Niederlagen ein Tabu?
Erfolg und Niederlage – das passt im Führungsbereich nicht zusammen. Es heißt „I am the Greatest“ und nicht „Ich bin auch schon gescheitert“. Dieser Gedankengang kommt nicht von ungefähr. Gerade in der Gründerszene zum Beispiel möchte niemand seinen möglichen Investoren erzählen, dass dies nun das dritte Unternehmen am Start ist und es zweimal nicht geklappt hat. Da wäre die Entscheidung noch vor Pitch-Ende gefallen. Wir haben mit Marion Welp über Rückschläge und dem daraus resultierenden Lernprozess gesprochen. Sie ist Chief HR & Legal Affairs Executive, Supervisory Board Member, Consultant und Coach.
Realitäts-Check
Führungskräften und Entscheidern muss bewusst sein, dass nicht alles im Leben ein Erfolg sein kann. Wir leben in einer ungewissen Gegenwart sowie Zukunft. Die Themen Resilienz, also der Prozess, wie auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung des Verhaltens reagiert wird, und Failure müssen mehr Platz in der Gesellschaft und im Berufsleben bekommen, ist Marion Welp überzeugt. Führungskräfte können nur authentisch sein, wenn sie auch selbst Niederlagen erfahren haben. Die Herausforderung ist es, mit dem eigenen „Rucksack“, den man mit sich herumträgt, umzugehen.
In dem Rucksack befinden sich die unterschiedlichsten Erfahrungen. Das geht von der abgelehnten Gehaltserhöhung bis zum Jobverlust. Natürlich stecken auch private Schicksalsschläge darin. Sie alle führen zu Erfahrungen und schlussendlich zur ganz persönlichen Resilienz.
Einkerbungen im Lebenslauf machen Menschen empathischer. Dieser Ansicht ist Cawa Younosi. Er besetzt die Stelle des Global Head Of People Experience SAP und ist einer der wichtigsten HR Influencer in Deutschland. Mit über 94.000 Followern und Followerinnen auf LinkedIn ist er einer der wichtigsten Stimmen auf diesem Gebiet.
Mehr Empathie?
Müssen Entscheider erst lernen, dass da ein Mensch sitzt, der auch einmal Niederlagen erlebt hat?
Wir als Mitarbeiter wollen Empathie von unseren Gegenübern, wollen gleichzeitig aber keinen Stempel aufgedrückt bekommen, der zu Nachteilen auf der Karriereleiter führen kann. Deshalb braucht es Mut, öffentlich mit Niederlagen umzugehen. Wir öffnen unsere Seele – und gehen nicht verwundet vom Platz. Das WIE entscheidet, nicht die Situation selbst. Resilienz ist deshalb eine so gehypte Charaktereigenschaft.
„Kandidaten, die sich in diesen „Ring“ begeben, müssen wachsam sein, sich für bereits Geschehenes nicht zu rechtfertigen. Sie sollten darauf achten, dass sie nicht ihr ganzes Herz öffnen. In zwei Sätzen den Rückschritt abfertigen und aus der verarbeiteten Perspektive heraus aufzeigen, was passiert ist, zeigt Größe. Das macht den Menschen bildlich gesprochen wieder schöner, denn das Leben ist dafür da, Erfahrungen zu machen.“ Marion Welp
Aus der Praxis: Darauf legt Marion Welp im Prozess um Führungskräfte ihren Fokus
Als erfahrene globale Führungskraft im Bereich Human Resources, zweisprachige Anwältin und Coach unterstützt Dr. Marion Welp Führungskräfte und Organisationen dabei, persönliche und unternehmensweite Transformationen und Veränderungen reibungslos zu bewältigen, um nachhaltigen Erfolg zu erzielen. Dafür sind für sie folgende Punkte essentiell:
- Das Individuum und den Einzelfall sehen.
- Aus einer Niederlage erfolgreich herausgegangen sein.
- Menschen, die sich öffnen können.
Diese Punkte erleichtern für Marion Welp den Umgang miteinander enorm, weil besser auf die Person eingegangen werden kann. Jedoch spielen auch kulturelle und firmeninterne Unterschiede eine große Rolle. In Unternehmen müssen deshalb Kulturen geschaffen werden, in denen die Führungsriege geschlossen vorangehen kann.
„In China z.B. herrscht die Kultur des Zuhörens – niemand würde direkt nachfragen. In den USA hingegen ist alles sehr locker, dafür oberflächlicher.“ Marion Welp
Kraft aus Niederlagen schöpfen
Wer Kraft aus Niederlagen schöpfen kann, kann auch als Mensch wachsen und ist gewappnet für zukünftige schwierige Situationen. Annehmen können und nicht wegschauen bzw. vergraben ist ein wichtiges Element, um aus Niederlagen gestärkt hervorzugehen, erklärt Marion Welp.
„Schwierige Situationen dürfen nicht im Kopf verkapselt werden. Sie ploppen nur in ungünstigen Situationen, z.B. in einem Interview, wie ein Flummi wieder hervor.“ Marion Welp
Für Marion Welp ist das Beste, das aus Niederlagen entsteht, die Veränderungskraft. Mit Normalität kommt man nicht in die Sphäre der Exklusivität. Davor war ihrer Ansicht nach ganz viel Failure. Wir dürfen nicht vergessen: Aus der Komfortzone will sich niemand wegbewegen, aus der Erfolgszone brauche ich mich nicht wegbewegen. So braucht es auch Negatives, um mit voller Kraft voranzukommen.
„Kinder müssen, wenn sie gehen lernen, ganz oft fallen. Das tut weh – muss aber sein. Fehler sind der Motor zum Change. Du musst ein Badass sein, um extraordinary zu sein.“ Marion Welp
Detachment: Das sollten wir in unserem Leben zelebrieren
Detachment kann durch viele Dinge erreicht werden, z.B. durch Sport, Journaling usw., aber auch durch geistige Arbeit aus fernöstlichen Kulturen wie Meditation. Die Methoden haben alle gemeinsam, dass man Zeit in das Thema der Niederlage investiert. Diese sollte man sich auch zugestehen. Welches Werkzeug für einen selbst das richtige ist, muss man selbst herausfinden.
Für Marion Welp ist es wichtig, Folgendes nicht aus den Augen zu verlieren:
- Niederlagen gehören zum Leben.
- Wer Erfolg will, muss Rückschläge in Kauf nehmen.
- Der Weg ist das Ziel.
- Es hat nichts mit meiner Person zu tun. Das ist jetzt passiert – das ändert nicht mein Leben.
Tipp: Frage dich selbst
Marion Welp empfiehlt, sich selbst im Prozess folgende Fragen zur Niederlage zu beantworten:
- Auf einer Skala von 0 bis 100: Wie schlimm ist es wirklich?
- Wie wichtig ist es in 10 Jahren?
- Wird es in meiner Grabrede erwähnt?
- Wie viel Raum will ich diesem Thema geben?
„Mit diesen Fragen können wir eine selbstbestimmte Erfahrung aus allem machen. Wir wissen, ich habe zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, anders zu denken. Das gibt mir Selbstbestimmtheit. Wir sind und bleiben im Fahrersitz.“ Marion Welp
Die Tatsache, dass Resilienz so im Fokus steht, ist ein Zeichen dafür, dass es en vogue ist, über unsere Failures zu sprechen. Wer gut mit Niederlagen umgehen kann, kann auch mit Stress besser umgehen. Denn wer weiß, dass er schon mal in dieser Situation, oder auch in schwierigeren, war und sie gemeistert hat, den haut die nächste Situation nicht wieder um.
Über Marion Welp
Als ehemalige Top-Managerin im HR-Bereich (u.a. Chief Human Resources & Legal Affairs Officer bei Esprit) unterstützt sie als Coach Vorstände und Führungskräfte im Umgang mit herausfordernden Situationen.
Buchtipps von Marion Welp
Dorie Clark: The Long Game: How to Be a Long-Term Thinker in a Short-Term World
Albert Espinosa: The Yellow-World
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