Wie divers sind wir? – Menschen mit Handicap im Berufsleben

Stephan Wenn unterstützt Unternehmen dabei, Menschen mit Handicap einzustellen. Das Thema Diversität ist ihm ein Herzensanliegen – es ist nicht nur sein Job.

Unterstützung im Prozess

Unternehmen begeben sich auf neues Terrain, wenn sie zum ersten Mal einen Menschen mit Behinderung einstellen wollen. Angefangen bei der Jobbeschreibung bis zu Fördermöglichkeiten und Schulungen im Team. Von der deutschen Industrie getrieben, gibt es deshalb zentrale Anlaufstellen. Diese stehen den Firmen beratend und unterstützend zur Seite. Sie erstellen Handreichungen, wie am besten vorgegangen werden könnte. Unternehmen können anhand der Fakten schließlich eine fundierte Entscheidung fällen.

Stephan Wenn ist einer davon. Zuerst bei der Agentur für Arbeit in diesem Bereich tätig gewesen, ist er nun nach schwerer Krankheit und Genesung, jedoch mit 50%igem Behinderungsgrad, zurück im Berufsleben – und das mit vollstem Engagement.

Zu seinem Aufgabenbereich gehört es, beratende Gespräche mit Unternehmen zu führen. Diese seien, wie er erzählt, höchst individuell. Oftmals müssten zuerst Blockaden im Kopf gelöst werden. Die Unternehmer haben ihre individuellen Ansichten sowie Vorerfahrungen gemacht. Es ist schwierig, sich eine genaue Vorstellung davon zu machen, da Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft wenig sichtbar sind.

„Ausgrenzung findet auf sehr vielen Ebenen statt – damit stehen wir uns aber oft selbst im Weg. Die Normalität muss in den Markt geholt werden.“ Stephan Wenn

Mittlerweile gibt es sehr viele und gute Angebote, Menschen mit Behinderung auf den Arbeitsmarkt zu bringen, z.B. auch durch die Nutzung neuer Technologien. Bei der Auswahl stehen Berater zur Seite.

Thema Diversität aus allen Richtungen beleuchten

In den Medien und auf sozialen Plattformen findet das Thema Diversität in großem Maße im Bereich Gender statt. Das Schlagwort Altersdiskriminierung, wie es auch Stephan Wenn als Arbeitssuchender mit 57 Jahren erlebt hat, wird schon deutlich weniger diskutiert. Doch das Thema Handicap und Inklusion sind nur im Randbereich ein Thema. Dabei leben 8.000.000 Menschen mit Schwerbehinderung in Deutschland.

Initiativen

Es gibt viele Privatinitiativen und öffentliche Institutionen, die sich um einzelne Themengebiete kümmern. Wenn man diese Energie bündeln würde, könnte noch viel mehr geleistet werden.

„Inklusion bedeutet ein Miteinander, wo es keine Gewinner und Verlierer geben kann. Das ist Chancengleichheit auf ganzer Höhe.“ Stephan Wenn

Öffentlichkeitswirksamkeit

Inklusion ist ein Thema, worum sich Unternehmer aktiv kümmern müssen. Jedoch ist der Bereich in den Köpfen gar nicht so präsent, schlicht, weil es in den Medien keine so starke Präsenz hat, wie es wünschenswert wäre. Laufend werden neue Themen auf den sozialen Plattformen und in den Medien gepusht. Es sind meistens diese, wo Menschen sich am meisten engagieren. Die Medien greifen natürlich genau solche Themen auf.

„Wir treiben jedes Jahr eine neue Sau durchs Dorf, und der, der am lautesten schreit, der hat dann auch die meisten Fürsprecher. So wirkt das auf mich oftmals.“ Stephan Wenn

Reden wir darüber

Darüber sprechen ist wichtig, noch besser ist es aber, sich regelmäßig aktiv mit Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Denn es reicht nicht nur, darüber zu reden und dort all die Energie verpuffen zu lassen. Stephan Wenn hat dies erlebt, als er als Trainer eine Fußballmannschaft für Kinder mit Handicap gegründet hat – und diese „Handicaps“ nennt. Es gab im Vorhinein außerhalb der Mannschaft Diskussionen, ob man den Begriff Handicap überhaupt benutzen dürfte.

Die Kinder interessieren solche Begrifflichkeiten jedoch gar nicht. Sie wollen Kicken, ihre neuen Trikots tragen und Spaß haben. Auch für Stephan Wenn geht es um die Sache und den ermöglichten Alltag – und nicht um die Begrifflichkeiten.

„Ich hatte einen Fußballspieler im Verein, der bei jeder neuen Übung gefragt hat, ob auch „normale“ Spieler das so machen würden. Die Antwort war natürlich immer ‚Ja‘. Und dann hat er die Übung auch so durchgezogen. Er wollte ein normaler Fußballspieler sein.“ Stephan Wenn

Topleistungen ermöglichen – Umfeld schaffen

Es ist sehr wichtig, dass wir den Menschen mit einer Behinderung die Möglichkeit geben, ihre Topleistung abzurufen. Sei es im Job oder in der Freizeit. Das Umfeld dazu muss passen. Wie z.B. das Tor des Monats durch den Spieler Serdal Celebi der Blindenmannschaft des FC St. Pauli im August 2018. Den Spielern werden alle Möglichkeiten gegeben, ihren Sport bestens auszuüben. So können sie ihre Leistung erbringen.

In und mit der Gesellschaft leben und arbeiten

Menschen mit Handicap wünschen sich in der Regel oft nur eines, nämlich Teil der Welt zu sein, die außerhalb ihres eigenen Milieus stattfindet. Das geht weiter, als die produzierten Sachen aus der Behindertenwerkstatt zu kaufen. Den Menschen ist es viel wichtiger, all das machen zu können, wie es auch alle anderen machen.

Deshalb ist es so wichtig, einem Menschen mit Behinderung einen Job zu geben. Jemand, der arbeitet, hat einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft. Das soziale Umfeld ändert sich sofort, die Wertigkeit ist eine andere und man erfährt Wertschätzung. Ohne all das hätte das Leben grobe Einschnitte und auch Folgen für jeden Einzelnen. On top kommt ein Gehalt – das die Agentur für Arbeit auch fördert. Unser Benefit: Dieses Geld kommt aus unserem Steuertopf. Wie viel schöner ist es, dass es an einen Menschen geht, der arbeitet und nicht an einen, der arbeitslos ist?

„Im Endeffekt kann jeder Mensch alles. Gegebenenfalls muss das Umfeld so angepasst werden, dass es möglich ist.“ Stephan Wenn

Es gibt Dinge, die sich bei der Einstellung von Menschen mit Handicap einfacher umsetzen lassen, aber auch solche, die sich schwieriger gestalten. Die Frage ist: Wer bezahlt die Sonderausgaben dafür? Das Ziel muss es schließlich sein, möglichst viele Menschen ins Arbeitsleben zu bringen. Es muss normaler werden und ein Umdenken stattfinden. Es darf nicht die Ausnahme sein, dass ein Mensch mit Behinderung einen Arbeitsplatz hat.

Wie können Arbeitgeber von Menschen mit Handicaps profitieren?

Aus Stephan Wenns langjähriger Erfahrung heraus bringt ein Mensch mit Handicap Loyalität, Wissbegierigkeit, Neugierde und Engagement in seinen Job mit, was natürlich sehr wertvoll für den Arbeitgeber ist. Gib einem Menschen mit Behinderung eine passende Aufgabe, und die wird mit Freude ausgeführt. Das hat er in seiner langjährigen Karriere in diesem Bereich oft beobachtet. Ein Grund dafür ist, dass diese Menschen wissen, dass sie nicht so viele Chancen kriegen. Sie bringen sich deshalb meist unglaublich ein – und sie würden auch nicht so schnell den Job wechseln.

Arbeitgeber müssen dafür bereit sein. Zusätzlich muss auch mit den Mitarbeitern ein Konsens geschaffen werden. Jeder 10. Mensch ist schwerbehindert. Die Mitarbeiter müssen darauf vorbereitet werden. Auf diesem Weg können verschiedene Stellen begleiten und beraten.

Nischen finden

Es gibt auch Behinderungen, die eine Vermittlung schwierig machen, wie z.B. das Asperger-Syndrom. Autisten hingegen werden gerade in mathematischen Bereichen, z.B. in Banken oder bei Versicherungen, gerne eingesetzt. Es sind augenscheinlich Nischen, aber sie können gefunden werden.

Wo fängt man an?

Regionalität ist hier Trumpf. Integrationsfachdienste in der Region oder die Agentur für Arbeit sind erste Anlaufstellen, wenn Unternehmen eine Beratung haben möchten. Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber können da vielfältige Hilfeleistungen bieten. Im ersten Gespräch werden der Betrieb, Ziele und Möglichkeiten besprochen.

Im Rainmaker Society Podcast Lunch and Learn erzählt Stephan Wenn viele Insights aus seiner Erfahrung heraus. Hörenswert!

 

Über Stephan Wenn

Stephan Wenn ist Fachberater für Inklusion im Verein Die Kette. Er vermittelt Menschen mit Handicap in die Arbeitswelt und unterstützt Unternehmen auf dem Weg dahin.

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