Weniger Software – mehr Vertrieb: Wie echte Sales-Kompetenz den Unterschied macht
Der moderne Vertrieb steht an einem Wendepunkt. Es werden immer mehr Software-Tools eingesetzt und Prozesse automatisiert. Der Rainmaker Society Gründer Dirk Schuran sprach mit Dominic Klingberg, dem Co-Founder von ARRtist Circus, in dessen Podcast “Sales & Pepper” darüber, ob Organisationen aktuell das Wesentliche aus dem Blick verlieren: nämlich den direkten, menschlichen Kontakt im Sales-Prozess. Statt echter Kundennähe dominiert Tool-Nutzung, statt individueller Gesprächsführung folgen Teams starren Frameworks. Genau hier liegt das Problem – und laut der beiden Experten gleichzeitig die Lösung.
Vertriebsalltag heute: perfekt organisiert, aber wirkungslos?
CRM-Systeme, Outreach-Plattformen, Templates, Playbooks – die Infrastruktur moderner Sales-Teams darf beeindrucken. Die Unternehmen versuchen, Vertriebsprozesse wie andere Workflows maximal zu standardisieren, denn das macht sie messbar und steuerbar – nach dem Motto: “You can’t measure it, you can’t manage it“. Dieses Vorgehen ist aber oft kontraproduktiv, denn Sales kann nicht nur prozessual gedacht und gelebt werden. Erfolgreicher Vertrieb, insbesondere im B2B-Bereich, erfordert situatives Agieren, Empathie und strategisches Denken. Die individuellen Stärken und Kommunikationsstile der Mitarbeiter müssen zugelassen und genutzt werden, um das Optimum zu erreichen. Gerade bei komplexen Entscheider-Zyklen oder im B2B-Umfeld funktioniert Copy & Paste nicht. Dort braucht es Raum für individuelle Ansätze, Fingerspitzengefühl und die Fähigkeit, Themen zu verknüpfen, die nicht im CRM stehen. Es zählen Vertrauen, Timing und echtes Interesse mehr als systematische Taktung oder Automatisierung.

Research oder reine Aktivität?
Fundierte Vorbereitung, die nun mal Zeit kostet, ist kein Luxus, sondern Grundlage für Relevanz. Im CRM eingetragene Aktivitäten sind hingegen messbar und vergleichbar, und die 60 Calls pro Tag beeindrucken den Sales-Leader. Aber von diesen Zahlen darf man sich nicht blenden lassen. Wer sich mit Branche, Produkt, Marktumfeld und Entscheidungswegen auseinandersetzt, kann Gesprächspartner auf Augenhöhe adressieren – und so nachhaltig Vertrauen aufbauen.
Das bedeutet aber nicht, dass stundenlange Vorbereitung für jeden Call sinnvoll ist. Aber: Wer mit fundiertem Wissen in ein Gespräch geht, erhöht die Abschlusswahrscheinlichkeit – insbesondere bei erklärungsbedürftigen Angeboten. Und das ganz ohne CRM.
Der menschliche Faktor gewinnt an Bedeutung
Je mehr automatisiert wird, desto mehr sticht ehrliches Interesse heraus. Kunden merken schnell, ob sie Teil eines automatisierten Funnels sind – oder ob sich jemand wirklich mit ihrer Situation beschäftigt. In einer Welt voller Outreach-Automatisierung und generischer Nachrichten wird Menschlichkeit zum Wettbewerbsvorteil.
Persönliche Treffen, Events, individuelle Gespräche: Gerade im hochpreisigen B2B-Vertrieb sind diese Formate oft effektive Einstiegspunkte. Sie sind nicht immer direkt messbar – aber langfristig entscheidend. Entscheidend ist hier das Umfeld, die Atmosphäre. Ein 30-minütiger Videocall bietet eine völlig andere Gesprächsbasis als ein persönliches Treffen bei einem gemeinsamen Mittagessen.
Prozesse ja – aber mit Augenmaß
Kurzfristige KPIs zur Messung der Leads, Calls und Meetings spielen im Vertriebsalltag eine wichtige Rolle – keine Frage. Doch wer nachhaltigen Erfolg anstrebt, sollte den Blick auch auf die handwerkliche Seite des Verkaufs richten. Gesprächsführung, Bedarfsanalyse, Storytelling und Verhandlungsführung gehören zu den Kernkompetenzen, die echten Impact erzeugen. Diese Fähigkeiten entstehen nicht durch Tools – sondern durch Training, Erfahrung und echte Kundeninteraktionen. Das heißt auch: im Team bewusst Freiräume schaffen für Lernen, Fehler und Feedback.
Natürlich braucht moderner Vertrieb Struktur. Ohne Prozesse lassen sich keine Teams skalieren. Aber: Struktur darf nicht zum Käfig werden. Prozesse müssen Führung bieten, aber auch Raum für individuelle Stärken lassen. Besonders in High-Touch-Sales-Szenarien ist das entscheidend. Ein zu enger Rahmen verhindert, dass Verkäufer situativ reagieren, kreative Ansätze verfolgen oder neue Wege ausprobieren. Die besten Ergebnisse entstehen oft außerhalb der Standardprozesse – dort, wo echte Beziehungen wachsen. Am Ende zählt das Ergebnis. Wer verkaufen will, muss liefern. Doch der Weg dorthin darf unterschiedlich sein. Manche, Verkäufer wie Kunden, kommunizieren gerne über E-Mail, andere suchen den direkten Draht via Telefon oder Social Media. Wichtig ist nicht das Tool, sondern die Wirksamkeit. Statt alle Aktivitäten bis ins letzte Detail zu tracken, braucht es Vertrauen in die Kompetenz der Vertriebsmitarbeiter. Messbar sollte sein, was zählt: Ergebnisse. Dafür müssen klare Ziele formuliert werden – und der Weg dorthin bewusst offen bleiben.
Zurück zu echtem Vertrieb
Die zunehmende “Toolisierung” des Vertriebs hat viele Vorteile – aber auch Risiken. Wer zu stark auf Systeme, Prozesse und Automatisierung setzt, verliert schnell die Verbindung zum Kunden. Erfolgreicher Vertrieb beginnt nicht im CRM, sondern im Kopf des Kunden. Wer zuhört, versteht und einen echten Mehrwert bietet, wird auch in Zukunft erfolgreich sein.
Über Dominic Klingberg, Co-Founder ARRtist Circus und Podcast Host “Sales & Pepper” Interviews Dominic ist Co-Founder des ARRtist Circus – dem ersten Learning & Development Festival für Sales und Customer Success in Europa. Mit dem ARRtist Circus bringt er führende Köpfe der Branche zusammen und setzt neue Maßstäbe für Weiterentwicklung und Vernetzung im B2B-Vertrieb. Zusätzlich hostet er den Podcast Sales & Pepper Interviews, in dem er mit spannenden Gästen über moderne Vertriebsansätze und New Work spricht. Als Ambassador für SDRs of Germany gestaltet Dominic außerdem Masterclasses mit und teilt sein Wissen regelmäßig als Content Creator für die Community. Über Dirk Schuran, Gründer & CEO der Rainmaker Society Dirk bringt über zwei Jahrzehnte Erfahrung im Sales mit – vom Callcenter über die Corporate-Verlagsbranche bis hin zum VC-finanzierten SaaS-Startup. Als Business Angel, Senior Advisor und B2B-Sales-Veteran kennt er die gesamte Bandbreite des Vertriebs. Seine Mission: Sales wieder als strategische Kernkompetenz positionieren.
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